Neues Jahr, neues Glück...

Silvester 2015/2016 hat schon bescheiden angefangen. Magda hatte in der Silvesternacht mit Magen-Darm zu kämpfen. Dementsprechend war sie geschafft und kaputt. In der ersten Januar Woche 2016 sollte die Chemo nach 3 wöchiger Pause fortgesetzt werden. Die Hausärztin, die regelmäßig Hausbesuche bei ihr macht, kam dann wie gewohnt Dienstagvormittag zur Kontrolle vorbei. Sie untersuchte Magda, sprach mit ihr über die Feiertage und hörte sie ab. Die Lunge hörte sich nicht in Ordnung an. Es war eine Art rascheln im linken Lungenflügel zu hören und Magda hatte wenige Wochen zuvor etwas schwerer Luft bekommen. Die Ärztin wollte gerne, dass sie sich mal im Krankenhaus röntgen lässt, bevor sie mit der Chemo weitermacht und entschied sich zu einer sofortigen Einweisung. Magda und ihre Schwester haben dann in Ruhe ihre Sachen gepackt und noch gemütlich zusammen gegessen bevor sie dann den Krankentransport angerufen haben. Sie hatten keinerlei Bedenken, dass es etwas Ernstes sein könnte und waren daher recht entspannt.

Am Hildener Krankenhaus wartete Magdas Mutter schon vor der Tür um sie in die Notaufnahme zu begleiten. Nach einigen Untersuchungen saßen wir dann im Warteraum und bekamen die Nachricht, dass der linke Lungenflügel kollabiert sei. Sie wurde anschließend stationär aufgenommen und sofort operiert und bekam eine Drainage gesetzt, damit sich die Lunge von selbst wieder entfalten konnte. Nach einer Woche wurde der Schlauch gezogen und eine erneute Röntgenaufnahme gemacht um sicherzustellen, dass die Lunge wieder in Ordnung ist, von wegen... Wenige Stunden danach ist der Flügel wieder etwas zusammengefallen, also entschlossen sich die Ärzte zu einer Operation, in der der Lungenflügel mit dem Rippenfell verklebt wird um ein erneutes kollabieren zu verhindern. Wir warteten wieder ab. Nach 2 Wochen bekam Magda Fieber und musste antibiotisch behandelt werden, als alles soweit wieder im grünen Bereich war, haben die Ärzte erneut den Schlauch gezogen und diesmal bekam sie ein CT zur Kontrolle. Der Lungenflügel schien zuhalten und es wurde uns mitgeteilt das die Metastasen zum Stillstand kamen und sogar an einer Stelle im Bauchfell weniger geworden sind. Nach einem Tag ist es schon wieder passiert. Magda ist morgens aufgestanden und hat plötzlich wieder weniger Luft bekommen. Die Ärzte handelten schnell und haben alles in die Wege geleitet um sie in eine Spezialklinik zu verlegen.

Sie kam nach Leverkusen in eine Klinik für Thoraxchirurgie. Es mussten erneut Untersuchungen gemacht werden und es wurde nochmals versucht die Lunge zu verkleben. Wir hatten jetzt schon Mitte Februar und Magda konnte schon lange keine Chemotherapie bekommen. Es ging ihr immer schlechter und schlechter und sie wurde immer schwächer. Das wochenlange Liegen nahm ihr die Kräfte und die Muskeln wurden nach und nach schwächer und es sammelte sich immer mehr Wasser im Körper. Die Fachkräfte kümmerten sich sehr gut um sie. Die Ärzte und Krankenschwestern haben alles versucht um Magda aufzupäppeln. Sie haben die Wunden versorgt und ihre Beine täglich gewickelt um das Wasser aus ihrem Körper zubekommen, was aus allen Poren der Haut tropfte. Durch die lange Kortison-Behandlung wurde die Haut immer dünner und der Bauch nahm an Umfang zu. Es entstanden Risse und tiefe Wunden am Bauch, die wie Einschusslöcher aussahen. Es wurde dann ein CT vom Oberkörper durchgeführt. Es war zu sehen, dass sich der Lungenflügel wieder leicht gelöst hatte. Es haben sich zwar keine neuen Metastasen in der Leber und am Bauchfell gebildet, aber sie waren enorm größer geworden. Uns wurde mittgeteilt, dass die Bauchfellmetastasen den Abbau der Wasseransammlungen stören und sie deshalb so aufgequollen ist. Magda hat dann erneut eine Drainage bekommen und wurde auf die Intensivstation verlegt, wo sie spezielle Infusionen gegen das Wasser im Körper bekam. Die Möglichkeiten zur intensiveren Betreuung waren auf dieser Station besser gegeben. Die täglichen Blutentnahmen zeigten das Magdas Leber immer schwächer wurde und nicht mehr richtig arbeiten konnte. Es kam zum Anstieg der Leberwerte und zum Abfall der Blutkörperchen. Die Ärzte entschieden sich dafür sie erneut zu verlegen um schnellstmöglich die Chemotherapie weiter zu führen. Die Lunge sei jetzt nebensächlich. Also haben Mutter und Schwester wieder den Koffer gepackt und diesmal ging es nach Essen ins Tumorzentrum, in dem sie schon bekannt war.

Sie wurde stationär aufgenommen und lag auf der 3. Etage. Es war mittlerweile schon März und die Zeit raste nur so an uns vorbei. Sie bekam ein schönes Einzelzimmer mit Zusatzbett auf dem die Angehörigen mit übernachten durften. Neues Krankenhaus, neue Behandlungen, neue Untersuchungen. Und wieder fing alles von vorne an. Die Ärzte haben nach wenigen Tagen Aufenthalt direkt mit einer anderen Chemotherapie angefangen, welche ebenfalls gegen Darm- und Eierstockkrebs ist, aber nicht so starke Nebenwirkungen hat, wie die zuvor. Uns wurde außerdem mitgeteilt, dass die Chemotherapie zuvor wohl auch nicht die beste für Magda gewesen ist, da der Krebs innerhalb von 1,5 Monaten so enorm gewachsen sei. Bei Chemo, die auf den Körper anspricht, dürfte eigentlich drei Monate nichts wachsen. Die Blutwerte wurden leider nicht besser, sondern schlechter. Sie bekam mehrmals wöchentlich Bluttransfusionen um die Blutkörperchen zu steigern. Die Leber konnte durch die Metastasen immer weniger arbeiten und Magda bekam die Gelbsucht, die von Tag zu Tag immer stärker zu sehen war. Die Ärzte wollten sich ihre Leber anschauen um eine Ursache für die Gelbsucht zu finden. Sie waren der Meinung es könnte ein Gallengang verstopft sein. Also bekam sie eine erneute Operation, die leider nicht zu Ende geführt werden konnte, da es zu Blutungen in der Leber kam. Magda sprach die Ärzte morgens bei der Visite an, weil sie gerne wissen wollte, wie es um sie steht. Die Ärzte haben offen mit ihr gesprochen und ihr mitgeteilt, dass es sich nur noch um Tage bzw. um Wochen handelt bis die Leber ganz versagen würde. Sie musste sofort ihre Schwester anrufen um ihr die schlimme Nachricht mitzuteilen. Es brach eine Welt zusammen. Es ist wie ein Schlag ins Gesicht und man möchte es nicht wahr haben. Es wurde uns schon mehrmals gesagt, wie es um sie stand, und dass sie nicht mehr heilbar ist, aber man hat versucht es immer wieder zu verdrängen. Zuerst hieß es, dass Magda max. 3 Jahre hat, dann hieß es vielleicht 6 Monate wenn nichts anschlägt, dann waren es nur noch wenige Monate und jetzt sprachen die Ärzte von Tagen. Es war wie ein Alptraum, aber als die Zeit immer knapper wurde, schien uns der Ernst der Situation erst bewusst zu werden. Wir wussten nicht was wir machen sollten. Wie sollten wir es ihrer Tochter sagen und sie darauf vorbereiten. Wie sollten wir es Magdas Papa sagen oder dem Rest der Familie...

Ihre Tochter hatte an diesem Tag eine Schulaufführung. Magdas Mann, ihre Mutter und Schwester haben sich die Aufführung angeschaut. Danach haben sie die Kinder weggebracht und sind nachmittags sofort zur Magda gefahren. Wir kamen in den Raum und es war still. Keiner von uns hat etwas gesagt. Wir saßen zusammen und haben einfach nur geweint. Wir haben den Arzt dann kommen lassen, damit er uns nochmal alles genau. Magdas wichtigste Frage war, ob sie Schmerzen haben wird. Dies verneinte der Arzt und sagte, dass sie einfach einschlafen wird und nicht mehr aufsteht. Einige Ärzte haben Magda dann empfohlen die Chemotherapie abzubrechen, weil sie keinen Sinn darin sahen ihr diese weiter zu verabreichen, wenn sie nicht anschlägt. Doch Magda die Kämpferin bestand darauf und sagte, dass sie bis zum Ende weiter macht und auf keinen Fall aufgeben will (Ihr Motto: Dum spiro spero - solange ich atme hoffe ich).

Also gab es eine Tumorkonferenz und die Ärzte wollten sich erneut die Leber anschauen um einen kleinen Stift im Gallengang zu legen, damit das Blut etc. besser abfließen kann. Dadurch wollten sie erreichen, dass die Leberwerte etwas sinken. Leider hat die OP wieder nicht geklappt. Magda bekam aber weiterhin auf ihren eigenen Wunsch die Chemotherapie und alle 2 Wochen Bluttransfusionen. Da sie mittlerweile gute 3 Monate bettlägerig war, war sie stark auf Hilfe von anderen angewiesen und brauchte mehr Pflege als andere Patienten auf der Station. Nach tagelangen Diskussionen entschlossen sich die Ärzte sie trotz Chemotherapie auf die Palliativstation, die 4.Etage, zu verlegen. Normalerweise wird man nur dorthin verlegt, wenn man keine Therapien mehr bekommt und alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Magda kämpfte und kämpfte und wir genossen das Beisammen sein jeden Tag. Abwechselnd fuhren wir zu ihr nach Essen. Ihr Mann Markus und ihre Tochter Alina schliefen jedes Wochenende bei ihr. Wir konnten es uns im Zimmer gemütlich und heimisch machen. Auf dieser Etage war es wie in einer WG und es gab nicht wirklich eine Krankenhausatmosphäre. Eins der Gemeinschaftsbäder sah aus wie eine Badeoase und der Gemeinschaftsraum besaß eine Küche, wo alle miteinander Kochen konnten, ein riesen Esstisch wo morgens ein gemeinsames Frühstück mit Kranken, Angehörigen, Betreuern und zum Teil Ärzten stattfand, Ein Wohnraum mit Couch, Fernseher, Klavier, Aquarium und Spielecke für kleine Kinder. Freunde kamen Magda besuchen und es schien ihr dort oben gut zu gehen, sie blühte auf und gab nicht auf. Die Blutwerte wurden immer besser und es ging bergauf. Die Gelbsucht verschwand wie ein Wunder komplett. Physiotherapeuten machten tägliche Übungen im Bett mit ihr. Sie fingen zuerst mit dem Fahrradfahren im Liegen an. Sie machte von Tag zu Tag mehr Fortschritte und fing an mit dem Rollator zu gehen. Die Ärzte aus der 3. Etage konnten es nicht glauben und kamen sogar hoch um sich zu vergewissern, ob das tatsächlich stimmt und Magda wieder läuft. Magda ist der Beweis, dass jeder Körper und jeder Mensch anders ist und man nicht nur nach Studien und Büchern gehen sollte, sondern individuell nach dem Menschen.

Ostern kam auf uns zu und wir verbrachten das Osterfrühstück zusammen im Gemeinschaftsraum des Tumorzentrums in Essen mit der Familie. Magdas Eltern kochten, anschließend aßen und lachten wir zusammen. An sonnigen Tagen saßen wir draußen auf der Terrasse und genossen die Sonnenstrahlen. Ende April/ Anfang Mai konnte Magda dann endlich wieder entlassen werden. Wir konnten ganz in Ruhe den Geburtstag am 20. Mai von ihrer 7-jährigen Tochter planen. Am nächsten Tag wurde sie von ihrer Hausärztin und ihrer Pflegedienstschwester zu Hause besucht und beide freuten sich sehr darüber, wie alles seinen Lauf genommen hatte. Die Chemotherapie wurde dann alle 2 Wochen ambulant in Hilden fortgeführt. Eine erneute CT Kontrolle zeigte, dass alles zum Stillstand gekommen ist. Ende Juli wenige Tage vor Magdas 29. Geburtstag fuhren ihr Mann, ihre Tochter, ihre Schwester, ihr Schwager und ihre Nichte gemeinsam mit noch anderen Freunden nach Holland in ein kleines Häuschen am Meer. Hier konnten sie sich eine kleine Ruhepause vom ganzen vorherigen Geschehen gönnen.

Mittlerweile ist es zum ersten Mal, dass Magda es geschafft hat einen Chemotherapie Zyklus ohne Zwischenvorkommnisse durchzuziehen. Ein halbes Jahr Therapie hat sie jetzt hinter sich und die neuen CT Bilder von August sprechen für sich. Die Lebermetastasen werden kleiner und Magda wird immer fitter. Sie geht hin und wieder mit Freunden aus, bekommt 2-mal wöchentlich Physiotherapien, damit sie das sichere Gehen wieder erlernt und sich Muskeln aufbauen können. Am Dienstag den 06.September 2016 hatte Magda ihre letzte Chemotherapie von diesem Zyklus. Sie macht nun eine kleine Pause von ca. 1,5 Monaten, damit sich der Körper von den ganzen Strapazen erholen und sie Kraft für den nächsten Zyklus schöpfen kann. In der Pausenzeit bekommt sie eine leichtere Chemotherapie in Tablettenform und Bestrahlung am unteren Teil der Wirbelsäule, weil die Metastasen Magda dort Schmerzen bereiten und Wirbelsäulenbrüche verursachen...

 

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